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Der Pfingstgraben – ein künstlicher Wasserlauf zwischen Schloss Brake und Lemgo

– ein künstlicher Wasserlauf zwischen Schloss Brake und Lemgo

Pfingstgraben vor Schloss Brake, o. D. (N 9 Fotoarchiv Ohle GPK 1390)

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Am nordöstlichen Rand des Parkplatzes Bleiche in der Nähe des Regenstorplatzes sieht man einen kleinen Bach, der durch die Öffnung unterhalb der Bastion in den innerstädtischen Bereich fließt. Seinen Ursprung hat er beim Schloss Brake, als Abfluss des Mühlenstaus, ursprünglich in der Nähe der Ölmühle am Schloss angelegt. Sein Verlauf ist inzwischen größtenteils oberirdisch bis auf das Gelände des heutigen Eau-Le; dort ist der Verlauf unterirdisch.

Es handelt sich dabei um ein künstlich angelegtes Gewässer, einen Kanal, der zum einen den südlichen Stadtgraben Lemgos mit Wasser befüllte, zum anderen auch die heute nicht mehr bestehende St.-Johannis-Mühle am westlichen Ende der Mittelstraße mit Wasserkraft versorgte. Deswegen sind für dieses Gewässer in den Quellen auch die Bezeichnungen “Mühlengraben“ oder „Alter Fluss“ geläufig. Genauso häufig wird er auch einfach nur „Graben“ genannt. Der älteste, urkundliche Hinweis stammt aus dem Jahr 1323. In diesem Jahr verkaufte Simon I. den Graben (fossam nostram aqueam), der die Mauern und Wälle der Lemgoer Neustadt einschloss, den dortigen Bürgern zur dauerhaften Nutznießung.

Es ist also davon auszugehen, dass dieser Graben oder Kanal bei der mittelalterlichen Stadtanlage Lemgos bereits mitgeplant und angelegt wurde. Durch die Sanierungsmaßnahmen des Vereins Alt Lemgo Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre an der Bastion des sog. Kramer-Rondells mit der teilweisen Wiederherstellung von Stadtmauer, innerem und äußerem Graben, Turm und Wallanlage konnte der Graben in seiner eigentlichen Funktion und ursprünglichem Verlauf wieder sichtbar gemacht werden.

Der Name „Pfingstgraben“ soll sich daher ableiten, dass er um Pfingsten alljährlich instand gesetzt, also ausgeschlagen wurde. Diese in der Literatur wiederkehrende Wortherleitung ist allerdings quellenmäßig bisher nicht belegt. Heinz Sauer erwähnt in seiner 2002 erschienenen Dissertation über die Baugeschichte des Schlosses Brake keinen Quellenbeleg für einen „Pfingstgraben“, obwohl er die einschlägigen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Quellen umfangreich ausgewertet hat. Das jährliche Ausschlagen, d. h. Ausheben und Reinigen des Bachbettes, ist jedoch belegt und auch für andere Bäche, Flüsse und Gräben vollkommen üblich. Häufig wurde dies von den Anliegern im Rahmen der feudalen Hand- und Spanndienste zwangsweise ausgeführt. In den lippischen Flurkarten aus dem späten 19. Jhd. wird das Gewässer bereits als „Pfingstgraben“ bezeichnet. Ernst Weißbrodt nennt in seiner in der Lippischen Post 1937/38 veröffentlichten Serie über Lemgoer Flurnamen zwar den „Alten Fluß“, aber keinen „Pfingstgraben“, obwohl er in den amtlichen Dokumenten in den 30er Jahren durchaus so genannt wurde.

Die Frage ist also am Ende, wie alt oder historisch der Name „Pfingstgraben“ tatsächlich ist und ob zum bevorstehenden Pfingstfest am Sonntag tatsächlich eine alte Tradition zu erinnern wäre…