Am nordöstlichen Rand des Parkplatzes Bleiche in der Nähe des Regenstorplatzes sieht man einen kleinen Bach, der durch die Öffnung unterhalb der Bastion in den innerstädtischen Bereich fließt. Seinen Ursprung hat er beim Schloss Brake, als Abfluss des Mühlenstaus, ursprünglich in der Nähe der Ölmühle am Schloss angelegt. Sein Verlauf ist inzwischen größtenteils oberirdisch bis auf das Gelände des heutigen Eau-Le; dort ist der Verlauf unterirdisch.
Es handelt sich dabei um ein künstlich angelegtes Gewässer, einen Kanal, der zum einen den südlichen Stadtgraben Lemgos mit Wasser befüllte, zum anderen auch die heute nicht mehr bestehende St.-Johannis-Mühle am westlichen Ende der Mittelstraße mit Wasserkraft versorgte. Deswegen sind für dieses Gewässer in den Quellen auch die Bezeichnungen “Mühlengraben“ oder „Alter Fluss“ geläufig. Genauso häufig wird er auch einfach nur „Graben“ genannt. Der älteste, urkundliche Hinweis stammt aus dem Jahr 1323. In diesem Jahr verkaufte Simon I. den Graben (fossam nostram aqueam), der die Mauern und Wälle der Lemgoer Neustadt einschloss, den dortigen Bürgern zur dauerhaften Nutznießung.
Es ist also davon auszugehen, dass dieser Graben oder Kanal bei der mittelalterlichen Stadtanlage Lemgos bereits mitgeplant und angelegt wurde. Durch die Sanierungsmaßnahmen des Vereins Alt Lemgo Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre an der Bastion des sog. Kramer-Rondells mit der teilweisen Wiederherstellung von Stadtmauer, innerem und äußerem Graben, Turm und Wallanlage konnte der Graben in seiner eigentlichen Funktion und ursprünglichem Verlauf wieder sichtbar gemacht werden.