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Adolf Sternheim und die Lebenserinnerungen seiner Tochter Ilse

Ein jüdisches Familienschicksal aus Lemgo

Adolf Sternheim

Adolf Sternheim in der Uniform der Krieger-Sanitätskolonne vom Roten Kreuz, 1933 (Stadtarchiv Lemgo, Zug. 2020/044, Fotograf: Thermann)

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Heute - am 18. November 2022 - wird wieder der sog. Sternheim - Preis der Alten Hansestadt Lemgo für Vereine, Gruppen oder Organisationen verliehen, die ein herausragendes ehrenamtliches Engagement für die Alte Hansestadt Lemgo zeigen. Dieser seit 2009/10 bestehende Preis ist nach Adolf Sternheim (1871 - 1950) benannt. Eine gute Gelegenheit auf den Namensgeber und seine vielleicht weniger bekannte Tochter Ilse zu blicken.

Adolf Sternheim war bereits 1910 von Aplerbeck nach Lemgo verzogen und hatte die Gründung der Krieger-Sanitätskolonne in Lemgo (heutiges Rotes Kreuz) initiiert und war auch sonst auf karitativem und sozialem Gebiet in der Alten Hansestadt engagiert. Als Vorsteher der Lemgoer Synagogengemeinde war er Ansprechpartner für alle Gemeindemitglieder. Mit den restlichen Lemgoer Juden wurde er am 28. Juli 1942 nach Theresienstadt über Bielefeld deportiert. Seine Frau, eine seiner beiden Töchter und weitere Familienangehörige wurden dort ermordet. Im Juni 1945 kam er wieder nach Lemgo zurück, übernahm den Vorsitz der Jüdischen Kultusvereinigung für das Land Lippe, war im April 1946 Mitbegründer der FDP in Lippe und bei der Neugründung des DRK in Lemgo wieder im Vorstand.

Sternheim war nach 1945 eine Art Gewährsmann für die Zeit zwischen 1933 und 1945, da er aufgrund der erlittenen Verfolgung und als Jude als unverdächtig galt. Demzufolge gab er bereitwillig Auskünfte über das Schicksal der Mitglieder der ehem. jüdischen Gemeinde in Lemgo und stellte auch durchaus "Persilscheine" im Rahmen der Entnazifizierung für belastete Lemgoer aus. Im Januar 1947 äußerte er sich gegenüber dem städtischen Wohlfahrtsausschuss in einem längeren Schreiben aber ausgesprochen kritisch zum Umgang der Stadt Lemgo mit den Juden im Dritten Reich...Das Schreiben und weitere Informationen dazu auf dem Archivblog Lippe.

Sternheims jüngste Tochter Ilse, geb. am 18.06.1904 in Paderborn, überlebte die NS-Zeit, indem sie 1934 zu ihrem Ehemann Hans Drucker in die Niederlande emigrieren konnte. Während der Besetzung der Niederlande durch Deutschland 1940 lebte sie bis Kriegsende in der Illegalität unter dem Namen Antje Geering. Ihre Erinnerungen an den Vater, Lemgo und ihr eigenes Schicksal veröffentlichte sie später in der „Freien Presse“ 1962/63 auf Anregung von Georg Strutz (1903 - 1974), von 1948 bis 1967 Chefredakteur der Freien Presse in Bielefeld, und des SPD-Politikers und Verlegers Emil Gross (1904 - 1967). Möglicherweise haben sich Ilse S. und Gross bereits im niederländischen Exil getroffen. 1985/86 muss es in Bad Meinberg (Lippe) zu einer Begegnung mit dem damaligen Lemgoer Bürgermeister Reinhard Wilmbusse gekommen sein, dem sie anschließend ihre schriftlichen Lebenserinnerungen leihweise überließ.

Die angefertigten Kopien in den städtischen Akten stehen nun online (nebenstehende PDF) zum Nachlesen zur Verfügung (Quelle: Stadtarchiv Lemgo S 254 bzw. C 1301, PDF, 2 MB). Ilse Drucker starb 1994.