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Knappe Mehrheit rettete das Lemgoer Ballhaus vor dem Abriss

– eine Abstimmung 1910

Lemgoer Stadtsparkasse am Marktplatz (1913 - 1981), 1978 (Stadtarchiv Lemgo)

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Seit April diesen Jahres läuft die Sanierung des Lemgoer Ballhauses (die LLZ berichtete am 29.07.2021). Dass das städtische Ballhaus (erbaut 1608/09) heute noch steht, ist einer äußerst knappen Abstimmung der Lemgoer Stadtverordneten im Mai 1910 zu verdanken.

Der Lemgoer Oberbürgermeister Ernst Höland wies bereits in einer Art Regierungserklärung in der ersten Stadtverordnetensitzung des Jahres 1908 darauf hin, dass die damaligen Räume der städtischen Sparkasse ungenügend seien und man Abhilfe schaffen müssen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Geschäftsräume der Sparkasse im Ballhaus. Das Lemgoer Rathaus war teilweise noch durch das fürstliche Amtsgericht Lemgo blockiert. Offensichtlich brachte der Zuwachs an Aufgaben und Personal für die Stadtverwaltung um die Jahrhundertwende auch Raumprobleme mit sich…

Im Mai 1909 diskutierten die Stadtverordneten dann über den Vorschlag des Lemgoer Magistrates, das sog. Böger’sche Haus (Kramerstraße 4, spätgotischer Fachwerkbau) abzureißen und an seine Stelle einen Sparkassenneubau zu errichten. Der Stadtverordnete und Bankier Max Lenzberg sprach sich dagegen für eine größere Lösung aus, die auch den Abriss des Ballhauses vorsah, um mehr Baufläche zu gewinnen. Aus dem Bericht in der Lippischen Post über die Sitzung geht hervor, dass er diesen Vorschlag bereits früher geäußert hatte, aber sich Widerstand in der Bevölkerung regte, so dass der Magistrat die kleine Lösung vorschlug. 

Nach Auffassung des Magistrats würde durch den Auszug der Sparkasse aus dem Ballhaus dort genügend Bürofläche für andere Zweige der Kommunalverwaltung entstehen, so dass der Abriss des Ballhauses nicht zwingend war. Zur Entscheidungsfindung wurde aus der Mitte der Stadtverordneten eine Kommission gebildet, was den damaligen Gepflogenheiten entsprach und in etwa den heutigen Ausschussgremien des Rates vergleichbar ist.

In der Kommission konnte man aber zu keiner einvernehmlichen Lösung gelangen, so dass man sich in der Stadtverordnetensitzung am 9. Mai 1910 zu einer namentlichen Abstimmung entschloss. Nach der Sitzungsniederschrift sei die Kommission für den Abriss des Ballhauses und eines kompletten Verwaltungsneubaus gewesen. Bei der Abstimmung zeigte sich aber, dass trotzdem einzelne Mitglieder der Kommission gegen den Vorschlag des Abrisses stimmten. Vermutlich war also auch die Kommission nicht ganz einig. Der Vorschlag zum Abriss des Ballhauses wurde mit 11 zu 10 Stimmen abgelehnt. Die Alternative (Abriss des Bögerschen Hauses und dort Errichtung der Sparkasse) wurde mit 11 zu 10 Stimmen ebenfalls abgelehnt. Es entstand also eine Pattsituation.

Im Vorfeld der Entscheidung veröffentlichte die Lippische Post den anonymen Kommentar eines „Freundes der Heimat“, der die Stadtverordneten ermahnte, für den Sparkassenneubau einen Wettbewerb auszuschreiben, um einen den ästhetischen Ansprüchen genügenden Bau für den architektonisch und historisch wertvollen Marktplatz zu erhalten. Gegen den Abriss des Ballhauses wandte sich der Verfasser aber nicht direkt und erwähnte es auch nicht.

Im April 1912 wurden dann schließlich 50.000 Mark für einen Sparkassenneubau anstelle des Bögerschen Hauses beschlossen. 1913 konnte der Neubau fertiggestellt werden. 1956 wurde das sog. Steinbickersche Haus am Markt (Markt 4, 1900 im neugotischen Stil errichtet) überbaut, um ein Geschoss verringert und als Nebenflügel in den Sparkassenbau integriert. Das gesamte Bauensemble wurde 1981 abgerissen.

Der heutige Standort der Sparkasse Lemgo wurde ursprünglich nur für die Kreissparkasse Lemgo genutzt.