|  Stadtarchiv

Vor 170 Jahren

01.09.1851 Gründung einer jüdischen Schule in Lemgo

Am 1. September 1851 eröffnete in Lemgo erstmals eine jüdische Schule. Die Räumlichkeiten, in denen sich diese Schule in den ersten Jahren befand ist unklar. Man könnte durchaus vermuten, dass das sog. Lenzbergsche Haus (Papenstraße 12, siehe Foto), in dem ein Raum für die jüdischen Gottesdienste genutzt wurde, auch für den Unterricht verwendet worden sein könnte. Ab 1869 wurde jedenfalls ein Raum im sog. Waisenhaus genutzt (siehe Foto), in dem auch die katholische Schule, die Bürgerschule und die Fortbildungsschule bereits untergebracht waren. Das Gebäude verfiel allerdings zusehends, so dass es 1907 geräumt wurde und die jüdischen Schüler im Haus des Sattlermeisters Adolf Schröder (Mittelstraße 24/26, siehe Foto) unterkamen.

Bereits 1808 war die erste jüdische Schule des Fürstentums Lippe in Detmold gegründet worden. Die rechtlichen Grundlagen wurden durch eine landesherrliche Verordnung von 1845 geschaffen, die festlegte, dass auch die Untertanen jüdischen Glaubens in Ermangelung eigener jüdischer Lehrer dem allgemeinen Schulzwange unterworfen waren und die örtlichen Volks- bzw. Bürgerschulen besuchen mussten. Lediglich vom christlichen Religionsunterricht waren sie befreit. Hierfür durften sie also jüdische Religionsschulen besuchen. Deren Lehrer mussten von den jüdischen Gemeinden angestellt und bezahlt werden.

Mit dem lippischen Volksschulgesetz vom 15. 12. 1849 wurde diese Regelung bestätigt und auch die Möglichkeit eingeräumt, an den jüdischen Schulen Elementarunterricht wie an den Volksschulen zu erteilen. Damit waren die jüdischen Schulen als Privatschulen der örtlichen Gemeinden etabliert. Daraus ergaben sich natürlich Schwierigkeiten, wenn die Gemeinden nicht den Willen oder die notwendigen Mittel zur Finanzierung eines Lehrers aufbrachten. So kam es in Lemgo immer wieder zu Vakanzen der Lehrerstelle in der jüdischen Schule, da diese häufiger auf eine bessere Stelle wechselten und zunächst keine Nachfolger gefunden wurden. Teilweise waren auch Eltern bemüht, ihrem Nachwuchs die breiteren Bildungsmöglichkeiten der „christlichen“ Regelschule (v.a. das Gymnasium) zu eröffnen und vom jüdischen Religionsunterricht befreien zu lassen, der von ihnen als Belastung für ihre Kinder empfunden wurde (u. a. auch die Familie Josef Lenzberg in Lemgo).

Trotz aller Widrigkeiten hielt die jüdische Gemeinde in Lemgo aber an „ihrer“ Schule fest, auch wenn diese nach dem Ersten Weltkrieg als Elementarschule nicht fortgeführt wurde. Bis 1938 gab es in Lippe nur noch zwei jüdische Religionslehrer, die sich als eine Art Wanderlehrer um die Religionsunterweisung in den Gemeinden kümmerten. Nach der Verweisung der jüdischen Kinder von den öffentlichen Schulen durch die Nationalsozialisten 1939 wurden sie in einer jüdischen Schule in Detmold bis zu ihrer Auflösung Ende Juni 1942 zusammengefasst. An dieser Schule wurde auch noch Karla Raveh aus Lemgo unterrichtet.

Die kurze Geschichte der jüdischen Schule in Lemgo steht im Spannungsfeld zwischen dem Bewahren der jüdischen Glaubenstradition und der Öffnung zur christlichen Mehrheitsgesellschaft mit ihren gesellschaftlichen Aufstiegschancen, nachdem das lippische Emanzipationsgesetz von 1858 den Juden dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten wie ihren christlichen Nachbarn gewährt hatte.